KONFIGURATIONEN
Rosa durchschimmernde Vorhänge stehen weissen, gerade fallenden gegenüber. Faltenstudien gleich sind sie einerseits Erforschungen des modellierenden Lichts, andererseits stehen sie für eine lesbare Haltung,
vielleicht gar für die halb geschlossenen Lider eines Blickes in die Landschaft. Etwas abgenutzt und alt bauschen sich die einen vor alltäglichen Zimmerpflanzen und geben einen melancholisch verschleierten Blick auf einen Garten dahinter frei. Die zweiten sind strahlend weiss und bilden einen klaren Abschluss, sind die logische Fortsetzung des hellen, vorgelagerten modernistischen Raumes. Verschleiert, aber deutlich begegnen wir in diesem dialogischen Bildpaar das den Abschluss der Serie bildet, einer für die Gesamtheit des Schaffens von Anita Schmid typischen Auseinan- dersetzung: Körperposen finden ihren Wiederhall in der Architektur und bilden die Grundlage einer Suche nach dem inneren Ausdruck.
Anita Schmid erforscht seit 2008 drei architektonische Ikonen der Mo- derne. Den Anstoss gaben die kürzlich restaurierte Villa Tugendhat in Brünn (1929) das Haus Lange in Krefeld (beide von Ludwig Mies van der Rohe) und das gleichzeitig entstandene Wiener Haus Beer von Josef Frank. Den Einstieg in die Serie Momentkonfigurationen, bildet eine einzelne Frauenfigur, die sich an die schmale Stahlsäule des Hauses Lange schmiegt. Im durchkom- ponierten, geometrischen Aufbau von Licht und Schatten wird sie zum Bildmittelpunkt und verbindet sich mit der stützenden Vertikalen. Architektur und Figur verschmelzen hier zu einem Ganzen, so als seien sie eins, geradezu voneinander bedingt. Die Figur, die nicht zufällig an die Körperkonfigurationen von Valie Export aus den 1970er Jahren erinnert, nimmt die Idee der körperlichen Haltung als Ausdruck eines immanenten, seelischen Zustandes auf. Im Anschmiegen, unter den Teppich kriechen und über die Fensterbrüstung legen, nimmt die Künstlerin selbst dabei Haltungen ein, die unbequem sein müssen, aber dennoch die Eleganz des Raumes widerspiegeln. Subtil befragt sie so die Formensprache der Moderne, die im Funktionalismus aufgeht und darin seine Bestimmung findet. So soll das Haus nach Josef Franks berühmten Aufsatz ,Haus als Weg und Platz‘ (1931) zu einem urbanen Raum werden, das den Bewohnern die Möglichkeit der freien Bewegung eröffnet. Es sollen durch unterschiedliche Niveaus, Durchsichten und Aussichten Plätze entstehen, die dem Menschen ein räumliches Kontinuum bieten, ihn aber auch Ruhe finden lassen.
Schmid nähert sich mit ihren Untersuchungen, den Idealen dieser Architektur, indem sie sie auf ihre intuitiven Posen hin prüft und ihnen durch strenge Ausschnitte und Gegenüberstellungen etwas Gestisches verleiht. Die Zwiegespräche, die Schmid in den Bildern eröffnet, sind Auseinandersetzungen mit einer zu entmystifizierenden Moderne und gleichzeitig mit dem intuitiven Selbst. Abgewandt wie die Vorhänge
des Hauses, nehmen sie durch die Wahl der Ausschnitte, die reduzierte Farbgebung und die Haltung das Persönliche zurück. Sie schafft dabei Dimensionssprünge oder aufklappende Ebenen und sucht nach einem zugrunde liegenden, grösseren ästhetischen Plan.
Text: Katrin Bucher Trantow/ Kuratorin Kunsthaus Graz
Interner Dualismus von Innen und Außen / Villa Tugendhat / 2008
Die Arbeiten entstanden über einen längeren Zeitraum (2009-2013) hinweg und zum Großteil in Bauten des Architekten Mies van der Rohe (Villa Tugendhat in Brünn, Haus Lange in Krefeld) und Adolf Loos. In den Fotografien werden Körper inszeniert der dabei in einem Wechselspiel mit dem Raum steht und diesen ergänzt. Die Körperposen finden in der Architektur ihren Widerhall. Die Linien der Architektur werden in der Symmetrie des Körpers lesbar. Das Spiel mit möglichen Haltungen, Stellungen, Positionen und Blickwinkeln -psychisch und physisch- betont die Geometrie von Raum und Körper. Architektur und Figur bedingen sich. Während die Architektur starr bleibt, findet sich der Körper in unnatürlichen Posen wieder. Bei diesem Zusammenspiel von Architektur und Pose entstehen Momentkonfigurationen zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Raum. Dabei bleibt der Körper nie bloß Objekt. Die unwirklichen physischen Positionen finden ein psychisches Äquivalent. Die psychologische Auseinandersetzung mit dem Raum wird über den Körper transportiert. Dazu wird durch die Körperpositionen die lineare Struktur des Raumes betont.
POSSIBLE STANDING
Foul 222
5:47min Video/ Loop/ 2011
Die nachgetanzten Foulszenen der Künstlerin Anita Schmid und der Tänzerin Fleur Colon basieren auf Foulszenen der WM 2010. Die Bewegungen der Sportler im Moment des Kampfes wurden aufgegriffen, nachgestellt und in eine eigene Formsprache übersetzt. »Die so entstandenen Foulchoreografie wurden gefilmt und mit den technischen Möglichkeiten der Fernsehübertragung (Zeitlupe, Wiederholung, Einstellungen) bearbeitet. Der Fokus liegt auf den Zeitlupenaufnahmen von Foulszenen, dem Moment in dem sich zwei Spieler regelwidrig verhalten und zumeist verletzt werden. Diese Situation auf dem Fußballplatz wird für die Zuschauer vor dem Fernsehen verlangsamt und wiederholt, die Akteure in Nahaufnahme aus unterschiedlichen Blickwinkeln in Szene gesetzt. Übrig bleiben zwei Körper in Bewegung! Auf der Grundlage des Videomaterials der WM Übertragung wurden die Bewegung der Sportler aus ihrem Kontext herauszulösen und neu inszeniert. Beim Tanzvideo werden die Mittel der medialen Darstellung sowohl von den Tänzerinnen (Tempo, Mimik, Wiederholung) als auch beim Filmen (verschiedene Perspektiven, Closeups) und in der Bearbeitung (Zeitlupenaufnahmen) eingesetzt.
Die Szenen der Fußballübertragung im einen Video auf den Bewegungsablauf reduziert, von den beiden Tänzerinnen interpretiert und mit denselben technischen Mitteln wie bei der TV Übertragung verfremdet. Statt 22 männlicher Akteure agieren 2 Frauen, statt Trikots tragen diese Kleider.
Concept: Anita Schmid
Production: Anita Schmid & Indra Jäger
Text & Dramaturgie: Indra Jäger
Dancers: Fleur Colon & Anita Schmid
Kamera: Alek Kawka & Martin Uko
Editing: Anita Schmid
Costume: Anna Aichinger